Langzeitarbeitslose sollen Demenzkranke betreuen

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25 Aug. 2008 19:04 #4469 von Anne
Hallo,

denke diese Reaktion (Arbeitslose, die den "Job wieder sausen lassen") ist mit einkalkuliert, weil dies Gründe sind das Arbeitslosengeld zu kürzen, im Endeffekt geht es tatsächlich nur um die Wirtschaft und nicht um die Gesundheit und das Befinden der alten Menschen.


Ich denke, Stigmatisierung spielt hier eine Rolle. Langzeitarbeitslose und Demenzkranke sind stark stigmatisierte Gruppen (übertroffen vielleicht noch von Suchtmittelabhängigen). Sie werden nicht nur mit einem Stigma belegt, weil sie aus der Reihe fallen (das tun sie ja nicht mehr, so viele wie es gibt), da sich "keiner" (bzw. die Mehrheit) mit deren Problemen auseinandersetzen möchte, sondern weil diese "Zustände", in die nun wirklich jeder kommen kann, Angst machen. Gefühle werden auf die Gruppen projiziert (was man bei sich selbst nicht sehen kann / will, z.B. Hilflosigkeit, Schwäche, fehlendes Leistungsvermögen, Angst vor Außenseitertum), weil es heutzutage normal ist, "perfekt" sein zu wollen (eben z.B. um nicht Gefahr zu laufen, arbeitslos zu werden, um das "unter Kontrolle zu haben").

Die Außenseiter der Gesellschaft hat man am besten unter Kontrolle (und kann seine projizierten Bilder bei den Menschen bekämpfen), wenn man sie zusammen in eine Topf schmeißt. Klar, so sind gleich zwei Probleme aus dem Weg geräumt.

Ja, es geht um die Wirtschaft und den "Wohlfühlfaktor" der Mehrheit / Leistungserbringenden, denn Leistung ist ja das wichtigste in unserer "Marktwirtschaftlichen Gesellschaft".

In den Heimen müsste es theoretisch festgelegte Arbeitsfelder geben- so wie für examinierte Pflegekräfte, so auch für Ergotherapeuten. Das es die nicht gibt, liegt doch auch an der Bequemlichkeit, der Machthabenden, die liebe Afas einstellen.

Wie man das umsetzen soll- hmm- ich weiß nicht. Vielleicht in dem Therapie bei Demenz genauer umrissen und populär gemacht wird (Ziele, Maßnahmen). Konkrete Ideen habe ich da (noch) nicht.

Gruß,Anne

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25 Aug. 2008 19:48 - 25 Aug. 2008 20:14 #4470 von kinava
hallo nadja,

ansich erstmal super, da der dve in stellvertretung der ergotherapeuten nicht nur murrt, sondern auch zur tat schreitet. damit hat der dve aktiv gehandelt und alles versucht, um ein nochmaliges nachdenken über diesen themenbereich zu erreichen - was auch meiner meinung nach absolut notwendig ist.

zudem ist das schreiben natürlich auch ein hinweis darauf, die ergo`s mehr in pflegeheimen zu etablieren, um die ressourcen der bewohner längerfristig zu erhalten - daher doppelt gut  ;D .
für mich wirkt das schreiben beim lesen jedoch, als ob NUR die ergo`s diesen job erfüllen können, (auch wenn sicher auf die pflege hingewiesen wurde - ich es jedoch für fraglich halte, inwieweit der einsatz einer zusätzlichen pflegekraft wirklich diesen bewohnern zu gute kommt) dass denke ich nicht, denn auch andere berufsgruppen können dieses.

enorm ist in der arbeit mit demenzkranken die psychische belastung, die geduld und das einfühlungsvermögen in die andersartigkeit der menschen was der betreuende mitbringen musss und auch der umgang mit  heruasforderndem verhalten bzw. verweigerung von nahrung.

ehrlich, wenn ich bei uns schaue, die wenigsten können gerade mit dem andersartigen und herausfordernden verhalten umgehen - TROTZ therapeutischer oder pflegerischer ausbildung (auch ich fühle mich in besonders krassen situationen schon mal überfordert und hilfslos).

und dieses fehlt mir so ein bisschen - denn ich finde, grade dass ist auch ein sehr wichtiges argument/ vorraussetzung, um entsprechende menschen in der arbeit mit demenzerkrankten einsetzen zu können. und da ist die vorbereitung/ schulung darauf - egal in welcher form -äußerst wichtig und dürfte bei überforderung und abbruch keine konsequenzen für die dort eingesetzten nach sich ziehen.

die arbeit mit demenzerkranten ist echt nee riesen riesen herausforderung, die ohne weiteres auch spass, freude und enorme situationskomik mitbringt. die psychische belastung für alle beteiligten, gerade wenn demenzerkrankte segretativ in einem gerontobereich betreut werden, enorm hoch.

das fachwissen kann in der theorie sicher gelernt werden....
aber die menschlichkeit, dass einlassen und einfühlen auf die bewohner in deren gedanken und gefühlswelt,  durch das ablegen seiner eigenen werte und normen; achtsamkeit und wertschätzung gegenüber den bewohnern, das eigene verarbeiten der situation dort und die machtlosigkeit beim stetigem abbau zuschauen zu müssen; die ängste vor der eigenen sterblichkeit und auch dement zu werden - DASS kann nur erfahren werden - und dafür ist nicht jeder gemacht und dass sollte bei der einstellung dieser zusätzlichen kräfte unbedingt mitberücksichtigt, und diese auf diese problematik INTENSIV vorbereitet werden....

obwohl ich mich frage, ob man trotz theorehischer vorbereitung wirklich im realen damit umgehen kann. entweder man trägt es in sich oder nicht, denke ich... ??? und diese menschen zu finden ist bestimmt nicht einfach...

ich finde nicht, dass eine bessere aufgabenbeschreibung und -teilung für die beteiligten berufsgruppen erfolgen sollte! ich finde eher, ein zusammenrücken, ein ineinandergreifen ist absolut notwendig!

ich lerne von den pflegekräften, den logo`s, physio`s, azubi`s egal welcher berufsgruppe. wenn ich mir die ziele einer jeder berufsgruppe anschaue, wollen doch alle nur irgendwie aktivieren, fördern, erhalten etc.
pflege macht ja auch aktivierende pflege (leider aufgrund von zeitmangel nur auf dem papier).
keinen pflege ohne therapie, keine therapie ohne pflege.
gerade im demenzbereich und grade, wenn die demenz weiter fortgeschritten ist!

sorge macht mir nur, dass durch die ZUSÄTZLICHEN kräfte, die billig daherkommen, NOCH mehr pflegekräfte an anderer stelle mal ganz still und heimlich abgebaut werden und die dementen dann gar nicht in den genuß der zusätzlicher betreuung kommen...

kinava

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25 Aug. 2008 19:55 #4471 von majati
@ stefan

Irgendwie kommt immer eine Fehlermeldung beim Öffnen des Petitionslinkes... ???
Könntest du die Adresse einfach noch mal angeben?

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25 Aug. 2008 20:16 #4473 von kinava
nachtrag:

übrigens ein artikel, der, wie ich finde, SEHR gut dazu passt...

welt online vom 19.06.2008

kinava

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25 Aug. 2008 21:39 #4474 von stefan
Hier jetzt der korrekte link zur Petition an Ulla Schmidt zum Thema:
www.petitiononline.com/22082008/petition.html
Danke für den Hinweis, ich hatte den link nach der Unterzeichnung kopiert.

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25 Aug. 2008 22:47 #4475 von kinava
mal kurz OT (off topic)

schönes avatar, was du da hast stefan, selbst geschossen das foto?

sorry, schnell wieder verschwindt, bin schon ganz ruhig  ;D

kinava

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26 Aug. 2008 18:23 - 09 Nov. 2008 10:40 #4480 von stefan
OT-Antwort an kinava: Das Foto ist von flickr.com  Da kann man solche Fotos kostenlos runterladen u. frei verwenden.

Zum Thema: die Stellungnahme von verdi findet ihr, [s:1zl2c89l]wenn ihr die pdf datei öffnet:[/s:1zl2c89l]

Ersetzt durch einen Link zur Datei .
Euer EbeDe.net-Team

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27 Aug. 2008 18:51 #4491 von M.K.
Ich bin gespannt, wo das alles noch hinführen soll...?!
In unserer Einrichtung beschäftigen wir ebenfalls 1Euro-Jobber in der Betreuung - mit den wenigsten ist eine effektive Zusammenarbeit möglich.Aber wo soll denn das Verständnis für dieses Krankheitsbild auch herkommen?Die Schulungen/Praktika, die unsere Betreuunghelfer besuchen müssen, kann man doch vergessen.Es ist echt schwer jeden Tag gegen Windmühlen kämpfen zu müssen, immer und immer wieder das selbe zu erzählen, einfachste Zielstellungen zu erläutern und wenn man denen den Rücken zu dreht, läuft eh wieder alles ganz anders.

Ich denke auch, wenn jetzt diese "zusätzlichen Betreuungskräfte" losgelassen werden, versickern die wieder in der Pflege und mit (geschweige denn therapeutischer) Beschäftigung/Aktivierung hat das auch nichts zu tun!

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01 Sep. 2008 08:10 #4510 von Katrin27
Eine sehr hitzige und doch sehr notwendige Diskussion!

Ich möchte zuerst mal betonen, dass ich beide Seiten verstehen kann. Ich habe in einem Seniorenheim ABM- Leute anleiten sollen, die den Demenzerkrankten eine "Form der Betreuung" zukommen lassen sollten. Und das ebenfalls nach kurzer Fortbildung. Leider hat das mehr geschadet als genutzt. Auf der anderen Seite waren damit weniger Menschen als arbeitslos verzeichnet, was natürlich auf dem Papier ein tolles Bild der Wirtschaftsentwicklung in Deutschland widerspiegelt. Auf der anderen Seite muss ich sagen, dass es eine Vielzahl von Menschen gibt, die einen anderen Beruf erlernt haben und für die Dementenbetreuung hervorragend geeignet wären.
Man sollte aber insgesamt nicht außer Acht lassen, dass die "Betreuung" bzw. Unterhaltung etwas anderes ist als die therapeutische Arbeit.
Einige Einrichtungen versuchen durch den Einsatz von LZ-Arbeitslosen (bitte diese Bezeichnugn nicht als Diskrimination betrachten!!!!) auch Arbeitskräfte einzusparen, die teuer bezahlt werden müssten, weil eine entsprechende Qualifikation vorhanden ist.
Wie man es dreht und wendet - es gibt leider auf allen Seiten Nachteile.
Ich finde den Einsatz von Arbeitslosen und -suchenden in der Geriatrie nicht verkehrt. Es handelt sich nicht um irgendeine sinnlose Beschäftigung und somit auch schlimme Situation für Betroffene, sondern eben auch für eine positive Entwicklung von Senioren, die keine Angehörigen haben. Aber muss das denn ausgerechnet der Demenzbereich sein? Das halte ich für alle Seiten für nicht erstrebenswert, da die angegebene Anzahl an Fortbildungsstunden für Menschen aus einem artfremden Bereich eindeutig zu gering ist.

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01 Sep. 2008 23:16 #4516 von stefan
Im freien Internetradio gab es einen Beitrag mit dem provokanten Titel: "Demenz in der Arbeitsagentur?" (ca. 9.00 min) Dazu wurde eine hohe Verdi-Vertreterin befragt, die - meiner Ansicht nach - alles recht gut zusammengefaßt u. bewertet hat:
www.freie-radios.net/portal/content.php?id=23750

;)

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