Neues Projekt: Heiminterne Tagesstätte für Demenzkranke

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27 Aug. 2007 19:25 #1207 von Maia
Hallöchen,
ich bin neu hier. Seit 7 Jahren als pädagogische Mitarbeiterin im Bereich Aktivierung und Bewohnerveranstaltungen eines Altenheimes tätig. Ich habe vor, ein neues Projekt für demente BW zu entwickeln, das den Bedürfnissen dieses Personenkreises gerecht wird. Im "normalen" Ambiente und Tagesablauf eines Altenheimes sind diese Personen, wie ihr sicher auch die Erfahrung macht,  verloren und nicht angemessen betreubar.

Sprich, mir schwebt ein eigener Bereich mit zwei oder drei gemütlich und häuslich  eingerichteten Räumen vor. Die Einrichtung müsste biografische Anknüpfungsmöglichkeiten bieten, die Möbel sollten in traditionellem Stil sein. Die BW von den diversen Stationen mit besonderem Betreuungsbedarf (vielleicht 5 bis 7 Personen) (entweder noch mobil oder im Rollstuhl) sollten morgens bereits zum Frühstück hingebracht werden können. Das gemeinsame Frühstück und wenn möglich das Decken des Frühstückstisches könnte der erste Programmpunkt sein. Danach würde eine entsprechende Förderung mittels Singen, Gymnastik, 10 Min. Aktivierung, Vorlesen, Einbindung in Alltagsaktivitäten wie Blumenpflege etc. erfolgen.
Wichtig wäre auch ein beschützender Außenbereich, den die Leute schwellenfrei erreichen können und damit ihren Bewegungsdrang nachgeben können.

Die BW könnten z.B. von Montag bis Freitag Vormittags hingebracht und zum Mittagessen zurück auf die Stationen gebracht werden. Eine solche teilsegrative Form der Betreuung könnte eine Möglichkeit sein, den Bedürfnissen der Desorientierten entgegenzukommen. Meine Frage an euch: Was meint ihr dazu?
Habt ihr Erfahrungen mit einer solchen Form der heiminternen Tagesbetreuung? Was wäre zu beachten?

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28 Aug. 2007 19:20 #1211 von Nadja Busch
Hallo Maia,

Maia schrieb: Was wäre zu beachten?


Das es nicht nur gemütlich aussieht, sondern auch allen Verordnungen (Hygiene, Brandschutz usw.) entspricht.

Zurzeit plant meine Einrichtung eine eigene Station und wir stellen immer wider fest das die Interessen und Anforderungen von Heimaufsicht, Brandschutz und Hygienebestimmungen oft nicht übereinstimmen.

Wenn ihr so eine Betreuung plant, dann erkundigt euch bitte vorher was ihr von den Ideen in die Praxis umsetzten dürft.

Ansonsten hört sich deine Idee gut an, aber warum sollen die demeziell erkrankten Menschen nicht gemeinsam Mittag essen? Ich persönlich würde die Gruppe nach dem gemeinsamen Mittagessen beenden. Im laufe meiner ergotherapeutischen Tätigkeit im Alten- und Pflegeheim habe ich so viele positive Erfahrungen mit dem gemeinsamen Essen sammeln können, das ich mittlerweile die Gruppe nicht mehr missen möchte.

Viel Erfolg wünscht dir
Nadja

"Damit das Mögliche entsteht,
muss das Unmögliche versucht werden."
                                          (Hermann Hesse)

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28 Aug. 2007 20:09 - 28 Aug. 2007 20:11 #1212 von Anonymous
Hallo Maia,

ich kann dir gut nachempfinden und könnte dir zig Dinge nennen, die ich gern ändern würde, wenn nicht immer diese vielen Steine wären, die einem in den Weg gelegt werden.

Man weiß, wie es theoretisch funktionieren könnte/müsste, leider sieht die Praxis jedoch so aus, dass etliche Ideen nicht umsetzbar sind. Leider ist es immer noch an der Tagesordnung, dass viele gut gemeinten Vorhaben am Personal- und Zeitmangel oder spätestens an den  Sicherheitsbestimmungen scheitern.

Von all dem, was du beschreibst, träumt wohl jeder, der in einem Pflegeheim arbeitet. Und ich träume davon, dass die Worte „Zu wenig Personal“ , „Dafür habe ich keine Zeit!“ "Das haben wir schon immer so gemacht!" gänzlich aus dem Vokabular verschwinden.

Dass Verbesserungen trotz der Widrigkeiten umsetzbar sind, beweisen Einrichtungen der 4. Generation mit ihrem Hausgemeinschaftskonzept. Hier orientiert sich alles am „Normalitätsprinzip“.
Wenn ich die Chance bekäme in so einer Einrichtung zu arbeiten müsste ich nicht lange überlegen!

Viele deiner Ideen hatte auch ich und  sicher auch viele andere schon, doch dann lassen sich beispielsweise gemütliche Sofaecken  mit hygienischen Gesichtspunkten und/oder Sicherheitsaspekten (Inkontinenz / lange Flure ohne Sitzmöglichkeit weil dadurch die Fluchtwege versperrt würden) nicht vereinbaren.
Das Besorgen der „biografischen Anknüpfungsmöglichkeiten“ ist da noch das geringste Problem, wenn es einem trotz dürftig ausgefüllter Biografiebögen seitens der Angehörigen und Desorientiertheit zur eigenen Person gelungen ist, eine Sozialanamnese zu erstellen.

Wünschenswert aber schwer vorstellbar sind zumindest für mich 5 – 7 Bewohner, weil sich das für eine Einrichtung einfach nicht rechnet. Da ist der  hohe Stellenschlüssel – der notwendig ist – nicht mehr gerechtfertigt. Stattdessen hat man es dann mit  10-13 Bewohnern pro Bereich zu tun und da wird es schon schwer, jeden individuell zu betreuen.

„sollten morgens bereits zum Frühstück hingebracht werden können“…
von wem denn? Ich rede mir seit Jahren den Mund fusselig, dass ich Unterstützung bei den Hol- und Bringdiensten der Bewohner benötige und ernte immer nur „Ich hab keine Zeit!“ Für eine 30-minütige Gruppenstunde mit Dementen muss ich inklusive Vor- und Nacharbeiten mindestens (!) die doppelte Zeit veranschlagen, die Dokumentation noch nicht inbegriffen!

Und da ich schon das  „Normalitätsprinzip“ erwähnt habe, lässt sich das schwer mit einem gemeinsamen Beginn des Frühstücks vereinbaren. Denn das setzt ja voraus, dass alle Bewohner zur gleichen Zeit mit der Grundpflege fertig sind und wo bleibt da die Individualität? Der eine ist Frühaufsteher, der andere schläft gern lange! Der eine mag Gesellschaft, der andere ist lieber für sich. Ich als Langschläfer springe jedem an die Gurgel, der mich im Alter um 7.00 Uhr aus dem Bett zerrt, nur damit die Therapeutin im Anschluss an das Frühstück ihre „entsprechende Förderung“ durchführen kann ;-)

Ich will deinen Enthusiasmus und Engagement mit meinen kritischen Zeilen  nicht madig machen…ganz im Gegenteil! Dein „Projekt“ setzt ein Umdenken aller Mitarbeiter voraus und das ist die größte zu nehmende Hürde.
Es kostet viel Kraft und Nerven, gegen „Das haben wir in den letzten 20 Jahren immer so gemacht!“ anzukämpfen. Da freut man sich schon über Erfolge in kleinen Schritten.

ich wünsche dir viel Kraft bei der Umsetzung deiner Ideen!

Liebe Grüße,
Cassio

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29 Aug. 2007 19:41 #1226 von Maia
Danke Nadja und Cassio für eure ausführlichen Antworten.
Die Hinweise zu den Sicherheits- und Brandschutzbestimmungen sind micht Sicherheit wichtig, wie auch die Überlegungen zu Gruppengröße, Einbeziehen des Mittagessens, Abholen und Zurückbringen. Letzteres auch aus meiner Erfahrung ein leidliches Thema >:
Ohne die Unterstützung und die Rückendeckung vonseiten der Leitungsebene ist das Ganze erfahrungsgemäß sowieso zum Scheitern verurteilt.
Meine Ideen sind vorerst ja noch völlig unausgereift, aber ich werde mir demnächst mal ein Projekt in einem Haus anschauen, die etwas Vergleichbares umgesetzt haben. Was letztendlich übrig bleibt von meinem "Traum", sprich was real umsetzbar ist, weiß ich zu diesem Zeitpunkt selber noch nicht. Mal sehen, was machbar und finanzierbar ist.  :-\ Maia

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