Verzweiflung bei Bew.

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24 Mai 2011 08:32 #10249 von violet
Verzweiflung bei Bew. wurde erstellt von violet
Hallo ihr Lieben

Ich benötige mal wieder eure Hilfe, meine Kollegen und ich kommen bei einer neu hinzugezogenen Bew. nicht weiter.

Vor etwa drei Wochen ist sie bei uns eingezogen, sie ist Ende 70 und verheiratet, wobei ihr Mann aber nicht mit im Hause wohnt.
Sie ist noch mobil (sogar sehr flink unterwegs) und zeitlich, örtlich und situativ extrem verwirrt.
Nun kommen bei ihr mehrere Probleme zusammen:
a) sie erzählt uns immer wieder das ihre Mutter an einer Darmkrankheit gestorben sei, weil sie sooft zur Toilette musste und das sie dies auch hätte. Allerdings ist sie nicht mehr oder weniger inkontinent als andere Bew., erlebt dies für sich nur als sehr schrecklich. Sie hat auch keine entsprechend e Diagnose. Sie KANN alleine zur Toilette gehen, tut es aber aus Angst vor Schmerzen nicht und hängt sich dadurch besonders an uns Therapeuten und Betreuungskräfte, damit wir sie begleiten, was aber bedeutet das sie aller 5 Minuten bei uns steht und zur Toilette begleitet werden möchte. Sobald wir den WB betreten rennt sie förmlich schluchzend auf uns zu, lässt sich nicht beruhigen und macht es uns unmöglich unserer Arbeit nachzugehen, auch wenn wir gerade in der Betreuung eines anderen Bew. stecken.
b) sie ist sehr verzweifelt, das ihr Mann nicht heim kommt, weil sie doch verheiratet sind und sich so schon kaum sehen, sie habe doch keinen Schlüssel für die Wohnung mehr. Sie "schwebt" ständig in diesem Zustand und beginnt heftig zu weinen. Sie ist dann weder zu beruhigen noich abzulenken und äußert sogar Suizidabsichten.
c) meine Kollegen und ich trauen uns gar nicht eine Bezugsbetreuung einzuteilen, wie das sonst üblich ist bei uns im Haus, da die Bew. sich so sehr auf eine Person die gut zu ihr ist fixiert und in eine Art Abhängigkeit verfällt, die ihr zu schaffen macht wenn die Person dann nicht da ist. Für uns ist es seither auch unmöglich die anderen Bew. auf dem WB zu betreuen und therapieren, da sie stetig Aufmerksamkeit fordert, zur Toilette begleitet werden möchte, Weinkrämpfe bekommt und mit Suizid droht.

Wir versuchen sie schon in soviele Hausarbeiten wie möglich einzubeziehen, was aber nicht einfach ist. Die geistig fitteren Bew. sind sehr ungerecht gegenüber den Dementen und wollen nicht "das so jemand ihren Tisch abwischt", was dann in Beleidigungen und Frust auf allen Seiten endet. Die Bew. beschäftigt sich aber auch nicht selbst mit gegebenen Aufgaben, sodass sie ständig Aufmerksamkeit und Unterstützung fordert und die anderen Bew. zu kurz kommen.

Für sie ist der Zustand sehr schwer, sie weint eigentlich immer bitterlich, ist aber weder mit ruhigen Gesprächen und Zuwendung, noch mit Ablenkung wieder zu beruhigen. Sie wirkt so verzweifelt, das wir inzwischen alle der Meinung sind, sie stünde kurz vor einem Nervenzusammenbruch.
Wie können wir dieser Frau wirklich helfen? Wir möchten ihr ein wenig Selbstständigkeit schenken, damit ihr Leben nicht von einer scheinbar vererbten, tödlichen Krankheit bestimmt wird. Die Sehnsucht nach ihrem Mann wird sich hoffentlich nach einiger Zeit etwas legen wenn sie sich eingewöhnt hat und sich im Haus zurechtfindet. In dieser Hinsicht unterstützen wir sie mit ROT und demnächst auch Zimmereinrichtung.
Das Problem ist, das sich niemand von uns wirklich den gesamten Arbeitstag ihr allein widmen kann, das würde ihr auch nicht gut tun. Ohne diese "Rund-um-die-Uhr"-Betreuung scheint es ihr aber von Tag zu Tag schlechter zu gehen.

Wenn hier jemand schon ähnliche Erfahrungen gemacht, oder Ideen hat, würde ich mich über einen Austausch sehr freuen =)

LG, violet

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24 Mai 2011 17:34 #10250 von ergotherapeutin
ergotherapeutin antwortete auf Verzweiflung bei Bew.
das hört sich nach einem psychiartrischen krankheitsbild an

1. mit medikamenten ruhigstellen (was womöglich früher oder später sowieso angesetzt wird)

2. verlegung in ein einrichtung die solche bewohner abfangen können

oder

3. angehörige müssen eine 1:1 Betreuung bezahlen (die kommen dann eher von extern), weiß gar nicht ob so etwas bezahlt wird von den kassen, müßte wenn dann beantragt werden

Hierbei geht es nicht um abschiebung, sondern, wie ihr und die anderen bw am besten geschützt werdet.

Eurer heim muß revlektieren, ist sie tragbar und auch passend für euer haus.  notfalls mal einen psychologen hinzuziehen

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24 Mai 2011 21:56 #10256 von violet
violet antwortete auf Verzweiflung bei Bew.
Danke ersteinmal für deine Antwort =)

Ich habe heute mal nachgeschaut, welche Diagnosen bei ihr festgestellt wurden. Mal abgesehen von Hypertonie leidet sie noch unter Demenz (nicht näher beschrieben welcher Art) und Obstipation, was mich wundert, da sie stetig zur Toilette muss und meint es "läuft von allein und sie müsse jetzt sofort gehen".
Durch ihre Demenz hat sie eine sehr kurze Auffassungsgabe, wenn man ihr etwas mitteilt, vergisst sie dies innerhalb von Sekunden. Ich habe heute ein gespräch mit ihr geführt, das etwa 30 Minuten dauerte, in welchem sie mir zwei immer wiederkehrene Fragen stellte. Die Antwort die ich ihr gab verstand sie auch, dennoch vergaß sie diese sofort und stellte sie mir nocheinmal. Man sagt ihr sie solle sich bitte an den Tisch setzen zum Essen, sie geht auf den Tsich zu, dreht sich wieder um und fragt was sie tun soll, dies wiederholt sich gefühlt endlos, bis man sie zum Stuhl bringt und ihr die Aufmerksamkeit schenkt die sie sicher macht.

Medikamentöse Einstellung wird sicherlich in absehbarer Zeit erfolgen, was das Verlegen in eine andere Einrichtung betrifft wohl eher nicht, da ihr Mann gleich um die Ecke wohnt und sie sicher aufgrund dieser Nähe bei uns ist. Für sie ist das nicht besonders einfach. Wir versuchten ihr ein wenig das Gefühl zu geben nicht "weggeschoben worden zu sein" und gingen mit ihr im Wohngebiet spazieren, damit sie merkt, das sie in ihrer gewohnten Umgebung geblieben ist. Sie erkannte alles wieder, freute sich sehr, war aber im Nachhinein völlig verzweifelt weil sie natürlich nach Hause wollte. Nun verweigern wir im Moment Spaziergänge mit ihr, da die Weglauftendenz sehr hoch ist und sie auch körperlich aggressiv werden kann, wenn sie sich angegriffen fühlt (was ich aber verstehe, da sie aus ihrer Verzweiflung heraus wohl keine andere Möglichkeit sieht ihre Selbstbestimmung deutlich zu machen)...

Ich werde mal die Möglichkeiten mit dem Pflegepersonal abwägen. Leider haben wir aus der sozialen Betreuung nicht besonders viel Mitspracherecht was solche Angelegenheiten betrifft, aber einen Versuch ist es wert!

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28 Mai 2011 18:00 #10286 von violet
violet antwortete auf Verzweiflung bei Bew.
Hallo =)

Ich habe nochmal die Akte studiert und festgestellt, das die Dame eine diagnostizierte Depression hat, allerdings keine Medikamente dagegen bekommt.

Meine Kollegen und ich informieren das Personal entsprechend, wenn die Bewohnerin Suizidgedanken äußert, denn diese werden immer konkreter. Sie gab an vom Balkon springen zu wollen, der zu ihrem Zimmer gehört.
Sie geht inzwischen ein absolut ungesundes Abhängigkeitsverhältnis zu ihrer Mitbewohnerin ein, fordert mich sogar auf diese "auszuschimpfen" wenn diese die Begleitung ins Zimmer verweigert.
Die Mitbewohnerin ist inzwischen auch schon zwei mal mit dem Messer auf sie zugegangen, wobei glücklicherweise noch nichts weiteres geschehen ist. Die Mitbewohnerin ist eigentlich recht ausgeglichen, aber ich denke ihr wird es jetzt auch zuviel.
Wir haben nochmal eindringlich mit dem Pflegepersonal gesprochen, das diese Frau einem Psychologen vorgestellt wird und zumindest erstmal medikamentös eingestellt wird, bevor weitere Schritte in Erwägung gezogen werden (wie ein Umzug in eine geeignetere Einrichtung)...
Ich hoffe für die Bewohnerin das es schnell geschieht, es wäre schön wenn unsere Bedenken auch mal ernst genommen würden, wenn wir doch auch "nur" Therapeuten sind...

Wenn jemand eine Idee hat, wie wir die Zeit bis dahin für die Dame etwas angenehmer gestalten können, ich bin für jeden Vorschlag dankbar den ich an meine Kollegen weitergeben kann!

LG, violet

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09 Juli 2011 13:24 #10510 von nike84
nike84 antwortete auf Verzweiflung bei Bew.
Bist du denn fest angestellt im Heim oder kommst du von extern?
Habt ihr sowas wie Fallbesprechungen? Da sollte die Dame definitiv Thema sein. Wenn die Pflege nicht auf dich hört wende dich an die WBL, dann an PDL und HL. So wie es sich anhört ist die Dame ja nicht nur selbstgefährdet, sondern es besteht auch Fremdgefährdung.
Neben der Medikamentösen Einstellung solltest du evt mal mit dem Mann reden. War sie schon immer so einnhemend, wurden schon mal Sudizidgedanken geäußert, seit wann ist die depressiv oder hatte sie Verstimmungen...
Wir hatten einen Bewohner, der auch hier um die Ecke gewohnt hat und die Angehörigen anfangs immer kamen. Und er ist auch ständig losgejukkelt. Haben dann im Team besprochen, die Angehörigen darauf anzusprechen ein wenig Abstand zu nehmen (auch wenn es schwer ist) und darauf geachtet, dass der Bewohner das Haus vorerst nicht mehr verlässt. Nach etwa 1 Monat wurde es deutlich besser...aber auch durch psychatrische Behandlung mit! Er brauchte super viel Sturktur und es ist heut noch so, dass die Besuche der Angehörigen, diese durcheinander würfeln und er mit unruhe reagiert. So hart das für Angehörige auch sein mag!

Womit wir einige Läufer "in den Griff" bekommen haben, sind unsere Kleingruppen. Wir haben 2x am Tag um 11 und 16 Uhr eine 30-45 Min. Dementengruppe, in denen immer wieder der selbe Ablauf ist. Immer die Selben 5-6 Bewohner, Begrüßung, trinken, singen, trinken, Gymn., trinken, 10Min Akt. Trinken, Verabschiedung...
Macht einen selbst etwas dulle, deshalb macht jede Woche jemand anders die Gruppe aber alle müssen sich an den Ablauf halten. Das bringt selbst den dementesten BEwohnern Struktur und nach einigen Wochen, stehen die wartend vor der Tür oder sagen, ach, sie sind das oder och hier war ich glaub ich schonmal! Vieleicht ist so etwas von vorteil für sie

Denke aber auch das unbedingt ein Psych. draufschauen sollte.

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