Junge Frau spaziert mit Senioren durch GartenanlageFoto: aboutpixel.de © Uwe DreßlerDemenziell erkrankte Menschen sind im fortgeschrittenen Stadium in ihrem Alltag auf professionelle Hilfe angewiesen. Oft machen die Einschränkungen in der Handlungsplanung, Merkfähigkeit, Orientierung und Sprach-/Wortfindungsstörungen die Betroffenen hilflos und unsicher. Diese Unsicherheit führt meistens zu einem veränderten Sozialverhalten, welches den Rückzug aus dem öffentlichen Leben und Isolation nach sich zieht. Genau bei dieser Problematik setzt die Ergotherapie an. Ziel einer ergotherapeutischen Behandlung ist es, dem Menschen Handlungsfähigkeit im Alltag, gesellschaftliche Teilhabe und eine Verbesserung seiner Lebensqualität zu ermöglichen.

Ergotherapie bei Demenz ist Aktivierung

Ergotherapie wird von den beiden griechischen Wörtern "ergon" (Tat, Handlung, Ausführung) und "therapeia" (Pflege, Heilung, Dienen) abgeleitet. Das Wort Therapie weckt jedoch bei vielen Menschen die Hoffnung, dass sich der Zustand des Patienten verbessert. Dieser Anspruch kann jedoch nicht direkt auf die Behandlung demenziell erkrankter Menschen übertragen werden. Durch regelmäßige Ergotherapie, in Kombination mit Angehörigenarbeit und der Zusammenarbeit mit Pflegemitarbeitern, können Abbauprozesse herausgezögert werden. Wenn Demenzkranke im Rahmen der Ergotherapie gezielt angeleitet werden, ist es ihnen oft möglich, bestimmte Aufgaben wieder zu übernehmen. Dies bedeutet für den demenzkranken Menschen mehr Aktivität. Bei der Diagnose "Demenz" handelt es sich bei der Ergotherapie also um Aktivierung.

So funktioniert Ergotherapie mit Demenzkranken

Um einer Isolation und Rückzugstendenzen entgegenzuwirken, ist die Aktivierung in Kleingruppen sinnvoll. In der Praxis hat sich eine Gruppengröße von 4 bis 8 Teilnehmern bewährt. Die Länge der Aktivierung sollte sich nach den Fähigkeiten der Teilnehmer und dem jeweiligen Aktivierungsangebot richten. Dieses dauert im Durchschnitt zwischen 30 und 60 Minuten und beinhaltet feste Rituale zum Beginn und Ende einer jeden Einheit.

Bei manchen Demenzkranken ist es sinnvoll, ergänzend oder alternativ zur Gruppentherapie, z. B. in der häuslichen Pflege, eine Einzeltherapie durchzuführen. In der Einzeltherapie geht der Ergotherapeut gezielt auf Fähigkeiten ein, die in der Gruppe nicht geschult bzw. aktiviert werden können. Besonders bei herausforderndem Verhalten, Gruppenunfähigkeit aufgrund motorischer Unruhe oder dem kompletten Rückzug innerhalb der Gruppe ist die Einzelaktivierung notwendig.

Angebote in der Gruppe

Demenzkranke im fortgeschrittenen Stadium können sich an Dinge erinnern, die weit in die Vergangenheit zurückreichen, oder Handlungen ausführen, die sie früher tagtäglich ausgeführt haben. Deshalb beruht ein wesentlicher Bestandteil der Ergotherapie auf dem Abrufen von Automatismen im Rahmen alltäglicher Handlungen. Hier bieten sich z. B. Koch- und Backgruppen sowie Kreativ- und Handarbeitsgruppen an, in denen altbekannte Techniken zum Einsatz kommen.

Ebenfalls gern angenommen werden Angebote mit psychomotorischer und biografischer Aktivierung. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten, um ans Ziel zu kommen. Wichtig bei dieser Art von Angebot ist die Mischung aus altbekannten Abläufen, Elementen zum Wahrnehmen und Raum für eigene Ideen und Gedankengänge. So werden z. B. ein Kochlöffel und eine Rührschüssel zum demenziell Erkrankten mitgebracht. Es folgt eine Aufforderung, sich die Gegenstände anzusehen, spontane Reaktionen werden abgewartet. Fortgesetzt wird die Aktivierung dann durch Impulse des Mitarbeiters, der zur Bewegung anleitet, bekannte Lieder anspricht oder einfach nur ein Gespräch anregt.

Weitere Angebote für den Alltag

In den alltäglichen Lebensrhythmus können ebenfalls Leitungsrunden, Spaziergänge, Gesprächskreise, musikalische Angebote sowie andere Interessengruppen integriert werden. Speziell für den Tagesausklang finden Nachtcafés oder so genannte Abendrunden regen Zulauf, deren Inhalte sich an den Biografien der Teilnehmer orientieren.

Das Angebot der Einzeltherapie

Die Einzeltherapie eignet sich besonders gut zum Abbau von herausforderndem Verhalten, das sich in motorischer Unruhe, Rufen oder anderen Auffälligkeiten äußert. Einzeltherapien eignen sich auch für immobile demenzkranke Menschen. Das ergotherapeutische Angebot orientiert sich dabei grob an den Inhalten in den Gruppentherapien.

Acht Beispiele, wie Sie Demenzkranke im Pflegealltag aktivieren können

  1. Aktivierung in der Tagesstruktur:
    Jeder Tag hat eine bestimmte Tagesstruktur, die geprägt ist durch Aktivitäten wie Aufstehen, Waschen, Anziehen, Essen und Freizeitgestaltung. Diese Tagesphasen eignen sich etwa für Pflegekräfte besonders gut, die Ergotherapie ohne Mehraufwand zu unterstützen. So bietet sich z. B. die Aktivierung in einer Essensgruppe an: Aus einer einfachen Mahlzeit können Sie eine gezielte Übung machen. Ergotherapeuten und Pflegekräfte können hierbei Automatismen nutzen, die sie unter anderem durch geführte Bewegungen abrufen. Für die praktische Arbeit hat sich aber das Abrufen von Automatismen und somit das betreute Essen in der Kleingruppe als zeitsparend erwiesen. Automatismen sind gespeicherte Bewegungsfolgen/-muster aus der Kindheit, auf die mittels kleiner Tricks zugegriffen werden kann. Zu den bekanntesten Automatismen gehört das Öffnen des Mundes, sobald sich etwas Essbares dem Mund nähert. Hierbei ist es die Aufgabe der Ergotherapeuten, Ressourcen zu erkennen, Möglichkeiten zur Aktivierung herauszufinden und dieses Wissen an die Pflegemitarbeiter weiterzuleiten. So ist eine optimale Nutzung aller Fähigkeiten in diesem Bereich gewährleistet.
  2. Die Kurzaktivierung:
    Ergänzend zu den integrierten Aktivierungen bieten sich Kurzaktivierungen an. So ist z. B. eine Aktivierung mit einer Dauer von 10 Minuten ein sehr sinnvolles Angebot, welches ergänzend zur Ergotherapie von Pflegekräften übernommen werden kann. Im Rahmen dieser Aktivierung kann die Ergotherapie eine koordinierende und ideengebende Rolle einnehmen und ergänzt so die therapeutischen Inhalte sinnvoll.
  3. Aktivierung in der Pflege:
    Ein weiterer fester Bestandteil in der Pflege demenziell erkrankter Menschen ist die aktivierende Pflege. Diese Phase der pflegerischen Tätigkeit eignet sich besonders gut zur kognitiven Aktivierung. Neben der Anleitung zur Eigentätigkeit können Lieder, Sprichwörter und biografische Gespräche integriert werden.

    Beispiel Sprichwörter ergänzen:
    Der Apfel fällt ...
    ... nicht weit vom Stamm.
    Viele Köche ...
    ... verderben den Brei.

    Beispiel Liedstrophen erraten, ergänzen und singen:
    Hoch auf dem ...
    ... gelben Wagen ...
    Das Wandern ...
    ... ist des Müllers Lust ...
  4. Biografiearbeit:
    Über Gespräche im Alltag und gezielte Nachfragen lassen sich die biografisch erfassten Daten langsam ergänzen. Fakten wie der Name der Tochter werden so mit Kurzgeschichten, Beschreibungen und alten Erinnerungen ergänzt. Wichtig bei der biografischen Arbeit ist, dass auch kleine oder größere fantasievolle traumähnliche Abweichungen von der Realität erlaubt sind. Diese steigern die Wertschätzung und Akzeptanz des Individuums, welches sich in solchen Momenten nicht von einer Fremdperson korrigiert fühlt.
  5. Erinnerungsalbum:
    Hier werden Fotos, die im Laufe des Lebens entstanden sind, zusammengefasst und mit Untertiteln versehen. So dass z. B. unter dem Hochzeitsfoto die Namen der Personen mit Hochzeitsdatum und gegebenenfalls einer kleinen Anekdote zur Hochzeit stehen. Durch diese Variante können Erinnerungen gepflegt und Gespräche beim Öffnen des Albums angeregt werden. Auch dann, wenn der Betroffene sich nicht mehr erkennt oder Details vergessen wurden.
  6. Erinnerungskiste:
    Hier werden in einer individuell gestalteten Kiste alle kleineren Gegenstände aufbewahrt und gesammelt, die dem demenziell erkrankten Menschen von früher bekannt sind und einen individuellen Wert haben. Besonders gut eignen sich für diese Kiste Gegenstände wie Bilderrahmen mit einem alten Foto, Stofftaschentücher, Schmuck, Urlaubsmitbringsel und dergleichen mehr.
  7. Nutzen von Automatismen:
    Wie schon beschrieben, können auch Angehörige die Automatismen nutzen und diese in den Alltag integrieren:
    • Hände reichen, z. B. bei der Begrüßung
    • Zuwerfen eines Balls
    • Das Schälen der Kartoffeln zum Mittagessen
    • Bügeln mit anschließendem Zusammenfalten (auch wenn es nicht knitterfrei ist)
  8. Einführen fester Rituale:
    Rituale geben dem Betroffenen Halt und Struktur, auch wenn die Pflege- und die Therapiekräfte nicht im Haus sind. Sie erleichtern oft den Umgang während der kurzen Anwesenheit und vermitteln viel Sicherheit:
    • Hände reichen und ansprechen mit Namen zur Begrüßung
    • Feste Uhrzeiten für Toilettengänge z. B. vor oder nach dem Essen
    • Feste Uhrzeiten für Aktivitäten wie Aufstehen, Spaziergänge und andere Freizeitangebote

Dieser Text stammt aus dem Fachinformationsdienst Demenz - Pflege & Betreuungkompakt.