Greifzopf_3_Produkt_250pixEine ungewöhnliche Art der Aktivierung demenziell erkrankter Menschen verspricht der Greifzopf: etwas zum Ertasten, Bewegen und Festhalten. Viele Ergotherapeuten, Pflege- und Betreuungskräfte kennen das Phänomen der geschlossenen Hände und des "Festhaltens". Hält der Klient einmal die Hand der Therapeutin, so lässt er sie so schnell nicht wieder los. Hier kommt der Greifzopf ins Spiel.

Name ist Programm

Die Bezeichnung Greifzopf ist gut gewählt, beschreibt sie doch das Medium besonders treffend: ein geflochtenes und dehnbares Band mit Gegenständen zum Ertasten und "Begreifen". Verschiedene Gegenstände wie Holzkugeln, Dübel und Naturmaterialien sind mit einer Schnur am Greifzopf befestigt. An den Enden des Greifzopfs befinden sich jeweils etwa 5 cm große Knoten, die den Flechtzopf zusammenhalten.

Ursprung des Greifzopfes

Zur Aktivierung bettlägeriger Bewohner eines Alten- und Pflegeheims hat die  Autorin Monika Hammerla den Greifzopf entwickelt. Ursprünglich bestand der Greifzopf aus einer geflochtenen Strumpfhose mit verschiedenen Tastmaterialien. Der Greifzopf schließt die Lücke, die nach einer Aktivierung entsteht: Viele Bewohner empfinden ein Leeregefühl und äußern den Wunsch, das die Person noch etwas bleiben soll. Oftmals bleibt nur das Vertrösten auf das nächste Mal. Viele der gängigen Aktivierungsmaterialien eignen sich jedoch nicht zum Einsatz in Abwesenheit der Betreuungskraft. Der Greifzopf dagegen kann im Anschluss an das Angebot am Bett befestigt werden und bietet verschiedene Einsatzmöglichkeiten. Vom Festhalten über gezieltes Tasten bis hin zum Zerren am Zopf ist vieles möglich. Nach zahlreichen Testläufen entstand die professionelle Variante, die Seni-on produziert.

Ein Medium für die ambulante und stationäre Ergotherapie

Der Greifzopf kam bei zwei verschiedenen Zielgruppen zum Einsatz. Die erste Testgruppe bestand aus kognitiv und motorisch eingeschränkten Menschen während der ambulanten Ergotherapie. Die zweite Testgruppe waren demenziell erkrankte Bewohner eines Alten- und Pflegeheims. Der Greifzopf wurde verschiedenen Personen vorgestellt und deren spontane Assoziationen oder Reaktionen beobachtet. Die anschließenden Übungen waren auf das jeweilige Krankheitsbild abgestimmt.

Greifzopf_1_250pixAlle Testpersonen empfanden das Material als sehr angenehm und hatten Freude am Ertasten der Gegenstände. Die befestigten Gegenstände motivierten spontane Assoziationen, die zum Gespräch einluden. Der Greifzopf wurde gern angefasst und auch für "gymnastische Übungen" benutzt. Dank des großen Durchmessers lassen sich die Knoten auch von Personen mit motorischen Störungen gut greifen. Dies war besonders bei den gezielten motorischen Übungen der ersten Testgruppe von Vorteil. Aber auch die Testteilnehmer, die gern etwas festhalten möchten, profitieren von den großzügigen Maßen. Zopf und Knoten liegen einfach gut in der Hand. Nach einer gezielten Aktivierung können Klienten den Greifzopf festhalten und bei Bedarf bewegen. Das Gefühl des Alleingelassenseins vermindert sich. Die Aktivierungsperson kann für eine Zeitspanne von 20 bis 30 Minuten den Raum verlassen, sodass der Demenzkranke sich die noch fehlenden Reize suchen kann. Nachdem die Aktivierungsphase beendet ist, nimmt der Therapeut den Greifzopf mit, sodass eine zielgerichtete Reizgebung stattfindet. Der kontinuierliche Einsatz über längere Zeit führte bei den Testpersonen zu einer Art Reizüberflutung und letztlich zum Ausblenden des Mediums.

Praktischer Einsatz

Greifzopf_2_250pixGezielte Beobachtungen haben ergeben, dass der Greifzopf wie eine Trainingsgerät wirkt. Zieht der Benutzer am Greifzopf, trainiert er die Schulter-, Arm- und Handmuskulatur. Neben dem Training der Muskulatur wird das Herz-Kreislaufsystem angeregt und motorische Unruhe abgebaut. Ebenfalls mindert der gezielte Einsatz die gesteigerte Reizsuche, wie dies beim Nesteln der Fall ist. Somit unterstützt der Einsatz des Greifzopfes ergotherapeutische Ziele wie den möglichst langen Erhalt der Mobilität, die Regulation der taktilen und propriozeptiven Reizsuche, die Anregung des Herzkreislaufsystems und die Minderung des herausfordernden Verhaltens.

Grenzen des Greifzopfes

Der Praxistest bestätigt, wie wichtig die gezielte Anleitung und die Begleitung des Demenzkranken beim Einsatz des Mediums ist. Im Rahmen der ersten Testrunde wurde der Greifzopf den Angehörigen einer mittel bis stark demenzerkrankten Patientin überlassen. Sie zeichnete sich durch kognitive und motorische Defizite aus sowie durch Nesteln, der taktilen Suche nach Reizen. Nun sollten die Angehörigen den Einsatz des Greifzopfes im Alltag erproben. Dazu lag er in Sichtweite des Demenzkranken, den seine Angehörigen verbal aufforderten, ihn in die Hand zu nehmen. Interessanterweise bewerteten die Angehörigen den Greifzopf völlig anders als die Ergotherapeutin. Er enttäuschte die Angehörigen, da die Patientin ohne die gezielte Anleitung nichts mit dem Medium anzufangen wusste. Sie fasste ihn nur nach Aufforderung kurzfristig an, wobei ohne Anleitung die Auswirkung aufs Nesteln nur minimal blieb. Die gezielten Übungen in der Ergotherapie zeigten hingegen, dass die angewandten Sinnesaktivierungen in Kombination mit Bewegungsübungen das Nesteln deutlich reduzieren.

Kaufen oder Nachbauen?

"Das können wir doch auch nachbauen“, so der erste Kommentar der kognitiv fitten Testpersonen. "Ein paar geflochtene Strumpfhosen und ein paar Perlen sind günstiger." Jedoch stand nach dem Praxistest fest: "So gut bekommen wir das nicht hin". Besonders die gut greifbaren Enden haben die Testpersonen sehr geschätzt. Eine einfache geflochtene Strumpfhose erreicht den gewünschten Durchmesser leider nicht.

Fazit

Der Greifzopf ist sein Geld wert. Er lässt sich flexibel einsetzten, regt die Sinne an, lädt zur Aktivität ein und ergänzt somit den Fundus an Aktivierungsmaterlialien der Ergotherapeuten und Betreuungskräfte sinnvoll. Einziger Wermutstropfen zum Testzeitpunkt: der Greifzopf ist bislang nur in der Männervariante erhältlich. Die befestigten Gegenstände wie Muttern und Dübel wecken bei Frauen zwar Assoziationen, jedoch fehlt oft der biografische Bezug. Eine Frauenvariante erscheint Ende März 2011.

Erhältlich für 35,11 Euro bei seni-on per Katalog oder im Online-Shop.