Essen als basale Stimulation von Markus Biedermann. © Vincentz Network GmbH & Co. KGIn vielen geriatrischen Einrichtungen gelten Bewohner nach objektiven Maßstäben als unterernährt. Essen dient daher oft nur noch der Gewichtszunahme oder -erhaltung. Einen weitaus genussvolleren Ansatz bietet Markus Biedermann, Gerontologe und Küchenchef aus der Schweiz.

Welchen Stellenwert hat Essen?

Für den 53-Jährigen bedeutet Essen nicht nur reine Nahrungsaufnahme. Vielmehr steht es als wichtiges Kulturgut für Tradition und fördert soziale Kontakte, Kommunikation und Interaktion. Die Wertschätzung der Bewohner und der Umgang mit ihnen liegen ihm dabei besonders am Herzen. In Deutschland wurde sein Konzept "Essen als Basale Stimulation" bereits in mehreren Einrichtungen umgesetzt. Vor allem für Einrichtungen mit einem hohen Anteil an demenziell erkrankten Bewohnern bietet dieses Konzept neue Möglichkeiten des Umgangs, der Kommunikation und der Verbesserung der Lebensqualität.

Essbiografie und Menüplanung

Um Essen für Heimbewohner als Erlebnis zu gestalten, steht am Anfang ein ausführliches Assessment. Jeder Mensch hat bestimmte Vorlieben und Essgewohnheiten, die in seiner Biografie begründet sind. Für demenziell erkrankte Bewohner, die sich nur schwer oder gar nicht mehr verbal ausdrücken können, sucht und findet Markus Biedermann andere Wege, um dennoch Einzelheiten zur "Essbiografie" herauszufinden. Den nächsten Schritt stellt die sogenannte Menüplanung dar, an der die Bewohner aktiv mitwirken. Alte Küchengeräte und Kochbücher, frische Kräuter, Obst und Gemüse aktivieren die Bewohner und lassen viele Erinnerungen wieder aufkommen, etwa an geliebte Kochrezepte. So fühlen sich die Bewohner ernst genommen und respektiert.

Essen als Erlebnis

Nach der Erhebung der Essgewohnheiten folgt die Zubereitung der Mahlzeiten. Die aktive Teilnahme am Kochen in Form von Gemüse putzen und schneiden vermittelt den Teilnehmern das Gefühl, gebraucht zu werden. Das steigert nicht nur den Stellenwert der Mahlzeit, sondern auch die Vorfreude. Verschiedene Düfte und Aromen regen die Sinne an, auch die jener Bewohner, die nicht mehr aktiv an der Zubereitung teilnehmen oder auf Sprache nicht mehr reagieren können.

Zubereitungsmöglichkeiten

Jeder Bewohner einer geriatrischen Einrichtung hat eine individuelle Biografie und besondere Wünsche. Auch der aktuelle Gesundheitszustand der Bewohner ist unterschiedlich. Auf diese Faktoren geht Markus Biedermann ebenfalls ein. Beim "Kochen am Bett" findet die Zubereitung der Mahlzeiten vor den Augen des Bewohners statt. Die visuellen und olfaktorischen Reize sowie die Verwendung von vertrauten Lebensmitteln sollen Erinnerungen und die Lust auf Essen wecken. Hochwertige Lebensmittel werden beim sogenannten "Smoothfood" püriert, ohne an Nährwert, Qualität und Geschmack zu verlieren. So ist diese Form der Darreichung besonders für Bewohner mit Schluckstörungen geeignet.

Viele demenziell erkrankte Bewohner haben einen erhöhten Bewegungsdrang und somit einen höheren Energieverbrauch. Ihnen fällt es oft schwer, Mahlzeiten im Sitzen einzunehmen. Für dieses Klientel eignet sich "Eat by walking": Kleine Häppchen werden auf der Laufstrecke eines Bewohners gereicht. Der kann sie schnell aufnehmen und verzehren.

Das "24-Stunden-Konzept" ähnelt dem Konzept der Validation. Hierbei wird die Nahrungsaufnahme der subjektiven Welt des Bewohners angepasst, sie erfolgt also tageszeitenunabhängig. Um trotzdem eine hochwertige und zügige Zubereitung gewährleisten zu können, müssen Technik und Ausstattung der Küche sowie die Arbeitszeiten des Personals den Anforderungen entsprechen.

Bereicherung für die Betreuung Demenzkranker

Markus Biedermann referiert in seinem Buch "Essen als Basale Stimulation" zunächst über Basale Stimulation, das Krankheitsbild Senile Demenz und andere pathologische Veränderungen im Alter. Danach zeigt er detailliert, wie sich sein Konzept praktisch umsetzen lässt. Die passenden Rezepte und Vorlagen finden die Leser im Anhang. Mit vielen Beispielen veranschaulicht der Autor den Stellenwert von Nahrung im Allgemeinen und als Teil der Basalen Stimulation. Somit stellen seine Ideen eine echte Bereicherung für die Betreuung von Demenzkranken dar - vorausgesetzt die Einrichtung verfügt über die benötigte Küchenausstattung und genügend Personal.

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