Endlich ist wissenschaftlich bewiesen, was praktizierende Ergotherapeuten schon lange wissen: Ihre Arbeit mit Demenzkranken wirkt tatsächlich und dient nicht nur dem kurzfristigen Wohlbefinden. Das hilft der Ergotherapie bei Demenz, um aus der Defensive herauszukommen. Aber nicht alle Methoden wirken.
Grundlagen der Studie
Auftraggeber der Studie "Wirksamkeit von Ergotherapie bei mittlerer bis schwerer Demenz" (PDF, 103 S.) ist das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI). Die Wissenschaftler beweisen, dass eine an Betroffene angepasste Behandlung wirkt und auch kostengünstiger sein kann als die medikamentöse Therapie. Dazu haben sie eine Metastudie erstellt auf Basis einer systematischen Literaturrecherche.
Ergotherapeutische Maßnahmen, die wirken
Nachgewiesen ist der medizinische Effekt für die Behandlungsverfahren Kognitive Stimulation, Sensorische Stimulation und Funktions- und Fertigkeitstraining. Die einzelnen Verfahren wirken sich je nach Demenzstadium positiv auf die verschiedenen Lebensbereiche aus (siehe Tabelle). Wichtig für die Wirksamkeit des Behandlungsverfahrens ist die strukturierte und patientenzentrierte Umsetzung.
Tabelle: Wirksamkeit ergotherapeutischer Maßnahmen bei Demenz
Behandlungsverfahren | Positiver Effekt | Effektivität nach Demenzstadium |
Kognitive Stimulation Training geistiger Funktionen wie Konzentrationsfähigkeit oder Gedächtnis |
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Sensorische Stimulation Sinnesanregung und verstärkte Reizwahrnehmung, z.B. durch Licht, Musik oder Duft | Zum Beispiel
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Funktions- und Fertigkeitstraining geistig wie körperlich | Verbessert in Kombination mit anderen Verfahren:
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Geringer Effekt bei Validation und Aktivierungskonzepten
Die Forscher haben verschiedene Behandlungsmethoden auf ihre Effektivität hin überprüft, darunter auch die Validation und Aktivierungskonzepte. Für sie fehlten jedoch wissenschaftliche Nachweise für die Steigerung der Lebensqualität, Alltagsaktivität, Kognition und Verhalten - jedoch lässt sich der positive Effekt in der Praxis beobachten. Fraglich ist auch die Effektivität von Multikomponentenprogrammen. Es werden zwar bei der Kombination aus kognitiver Stimulation, Erinnerungsarbeit und Entspannungsmaßnahmen Erfolge nachgewiesen, jedoch lässt sich nicht differenzieren, ob der Erfolg auf der Therapie oder der regelmäßigen Aktivität beruht.
Was bedeutet das für Ergotherapie und Betreuung?
Zunächst einmal wird das Studienergebnis in den Bereichen Validation, Aktivierungskonzepte und Multikomponentenprogrammen wohl wenig Einfluss auf die praktische Arbeit der Ergotherapeuten und Betreuungskräfte haben. Das liegt unter anderem daran, dass im Rahmen der aktuellen Studie nur bereits bestehende Studien auf der Basis einer Literaturrecherche überprüft wurden. Es mangelt also schlicht an Primärstudien zu den mutmaßlich ineffektiven Therapieformen. Schaut man sich aber in der praktischen Arbeit der Ergotherapeuten und Betreuungskräfte um, so ist zu beobachten, dass sich jede Methode positiv auf dem Demenzkranken auswirkt.
Validation
So wird zum Beispiel die Validation bei akuter Desorientierung zwecks Zugang zum Patienten genutzt. Sie ist eher eine Kommunikationstechnik, mit der der Ergotherapeut den Kontakt herstellt und dann im zweiten Schritt zu einer therapeutischen Intervention wie etwa Sensorische Stimulation übergeht.
Aktivierungskonzepte
Aktivierungen motivieren demenzkranke Patienten zur Eigenaktivität. Ergotherapeuten setzten sie gern als Heimtraining oder zur Befunderhebung ein. Ebenfalls findet man Aktivierungskonzepte in Alten- und Pflegeheimen im Rahmen der Sozialen Betreuung. Primär geht es dann um das Wohlbefinden und die Freizeitgestaltung des Demenzkranken, während Ergotherapie-Verordnungen die Primärziele Steigerung der Lebensqualität, Alltagsaktivität, Kognition und Beeinflussung des Verhaltens haben.
Multikomponentenprogrammen
Der Erfolg von Multikomponentenprogrammen wurde nachgewiesen, wenn auch mit Einschränkungen. Jedoch ist aus Sicht der Betreuung fraglich, ob es wirklich einer differenzierten Studie bedarf: Denn im Rahmen eines Betreuungsangebotes ist es oft egal, mit welcher Methode der Erfolg erzielt wird - solange der Demenzkranke mit dem Ergebnis zufrieden ist. Für die ambulante Ergotherapie auf ärztliche Verordnung ist der Nachweis einer effektiven Methode aber bedeutsam. Hier hilft die aktuelle Studie, um die passenden, nachweislich wirksamen Interventionen auszuwählen und somit wissenschaftlich fundierte Arbeit zu leisten.
Klare Empfehlung für Ergotherapie
Aufgrund des positiven Effekts der Therapie bei moderater bis schwerer Demenz in den Bereichen Lebensqualität, Gemütszustand und Aktivitäten des täglichen Lebens des Patienten und deren Angehörigen empfehlen die Autoren der Studie den Einsatz von Ergotherapie. Sie belegen zugleich, dass sich die Angehörigenberatung positiv auf die Therapie auswirkt. Kleiner Wermutstropfen: Die auf die Behandlungen folgenden Beobachtungszeiträume waren oft zu kurz, um einen langfristigen Effekt über sechs Monate hinaus nachzuweisen. Daher fordern die Autoren trotz des positiven Ergebnisses weitergehende Studien zur Abbildung der unterschiedlichen Demenzstadien.
Kostenreduktion durch Ergotherapie
Außerdem wurde die ergotherapeutische Behandlung auf Kosteneffektivität überprüft. Zwei Ergotherapiestudien belegen, dass die Behandlung die Kosten für die ärztliche, pflegerische und familiäre Betreuung verringert. Ebenfalls wurde nachgewiesen, dass durch die Ergotherapie der Heimeinzug bis zu einem halben Jahr herausgezögert werden kann.
Was bedeutet die Studie für die Praxis?
Endlich wird die Effektivität der Ergotherapie bei Demenz anerkannt und publiziert. Nachdem es in den letzten Jahren eher still um diese Frage war, können wir nun alle Zweifler auf das Ergebnis verweisen. Zwar wurden immer wieder einzelne Studien wie die WHEDA-Studie bekannt, deren Wirksamkeit nachweißbar war. Doch legte das die behandelnden Therapeuten auf je genau ein Verfahren fest.
Durch den Wirksamkeitsnachweis einzelner ergotherapeutischer Behandlungsverfahren und ihrer Kosteneffizienz können Ergotherapeuten jetzt bei den Ärzten, Krankenkassen und Einrichtungen für ihre Arbeit werben und die Erfahrungsberichte von Patienten und deren Angehörigen belegen. Der positive Effekt der Ergotherapie wird zwar beschrieben, jedoch reichten die in der Literatur erfassten Aussagen oftmals nicht aus um eine evidenzbasierte und somit wissenschaftlich evaluierte Aussage für ein Behandlungsverfahren zu treffen.
Auch bestätigt die Studie die Aussage der Leitlinie S3 "Demenzen", dass es eine Evidenz für ergotherapeutisch individuell angepasste Maßnahmen bei leichter bis mittelschwerer Demenz unter Einbeziehung der Bezugsperson zum Erhalt der Alltagsfunktionen gibt. Heißt es in der in der Leitlinie S3 noch, "der Einsatz kann angeboten werden", empfiehlt die neue Studie ausdrücklich den Einsatz von "Ergotherapie bei moderater bis schwerer Demenz".
Fazit
Jeder Ergotherapeut mit dem Arbeitsschwerpunkt Demenz sollte die die Studie zumindest in der knapp zweiseitigen Zusammenfassung (PDF) kennen. Und bei Bedarf auch verschreibenden Ärzten, der Krankenkasse oder Angehörigen vor die Nase halten. Die Originalveröffentlichung umfasst 103 Seiten, ist phasenweise aufgrund der wissenschaftliche Schreibweise schwer zu lesen, belohnt aber mit reichlich Informationen rund um Behandlungsverfahren, ergotherapeutischen Assessments, ergotherapeutische Studien und deren Auswertung.
Quelle: Externer Link: Meldung Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), Deutsches Ärzteblatt
Kommentare
Die Ergebnisse der Studie könnten also höchstens d. Ergo-Praxen zu nutze kommen. Sie konnten solche Behandlungen mit entsprechende Rezept duchführen. Wir, die Angestellten Ergos in Heime müssen immer noch Aufklärungsarbeit leisten und wie vorhin schon gesagt ist es nicht gewollt und kann auch nicht überprüft werden.
Ich denke wir müssen in der der Ergotherapie deutlich unterscheiden ob wir auf Verordnung tätig sind oder als Mitarbeiter der Sozialen Betreuung. Wie du es schon korrekt erfasst hast liegt der Auftrag der "Sozialen Betreuung" und der 87-b auf dem "Nicht-Therapeutischen-Auftrag " Das besagen ganz klar die MDK-Prüfrichtlinien. Eine Veränderung in Richtung therapeutischen Auftrag der Heime ist auch meines Wissens nach nicht geplant/angestrebt. Diesen Auftrag haben die behandelnden Ergotherpauten im Rahmen der Heilmittelrichtlinien, welche ebenfalls in Heimen (auf VO) tätig sein können. Für die Kollegen ist die Studie von sehr hoher Bedeutung, da oft (meine persönliche Erfahrung) Rezepte nicht ausgeschrieben wurden, da die Effektivität und Wirksamkeit nicht nachweisbar war. Lediglich Patienten/Angehörige die darum gekämpft haben, hatten eine Chance auf Rezept/Verordnung.
Verankert eure Leistungen im Konzept und weißt auf die Studie hin:
Ich finde doch, dass die Studie eine Auswirkung auf die Kollegen in Alten- und Pflegeheimen haben kann. Diese liegen unter anderem darin das ich als Therapeut hervorheben kann was wirksame Ergotherpapie ausmacht. Diese kann zum einen Mündlich in den Gespräche mit Vorgesetzten, Angehörigen und Patienten erfolgen, sondern auch schriftlich im Rahmen des Betreuungskonzeptes (z.B. im Rahmen der Schaltungsbeschreibung und Tätigkeitsbeschreibung des Ergotherapeuten. Diese Chance haben besonders Mitarbeiter die Einfluss auf das Konzert haben bzw. in Einrichtungen welche Wert auf das Einstellen eins Ergotherapeuten legen.
Differenzierungschancen und Berufsbild schärfen:
Zudem kann die Studie, langfristig, unser Berufsfeld in dem Bereich stärken und klarere Grenzen zwischen Beschäftigung/Betreuung und Therapie schaffen. Selbstverständlich bin ich als Ergotherapeutin in der Lage Betreuungsleistungen, wie dieses der MDK für die Pflegeheime fordert, zu erbringen. Hier liegt es nun bei jedem einzelnem Ergotherapeuten klar und deutlich darzustellen ob der Betreut/Aktiviert oder nach ergotherapeutischen und ggf. evidenzbasierten Konzepten/Methoden arbeitet. (u. A. Abhängig vom Auftrag des Arbeitgebers sprich dem Träger/Heim der den Ergotherapeuten einstellt.)
Fakt ist in allen Bereichen der Ergotherapie bei Demenz muss weiterhin Aufklärungsarbeit, auch durch die Verbände, geleistet werden. Nur so können wir unser Berufsprofil schärfen. Um dieses zu erreichen benötigen wir Studien, welche nach Möglichkeit die Wirksamkeit und Kosteneffizienz langfristig (länger als 1/2 Jahr) belegen.
Eine Chance für Alten- und Pflegeheime:
Auch wenn, in vielen Einrichtungen, die Studie derzeit keine direkte Auswirkung auf die praktische Arbeit hat, birgt sie für uns dennoch Zukunftschancen. Wenn es sich Rum spricht das Ergotherapie in wirkt, können wir für mehr verordnete Therapie im Alten- und Pflegeheim kämpfen. Zudem können Angehörige und Betroffene Druck auf die Heime Ausüben und sagen das sie nicht nur wünschen, dass ein Ergotherapeut in dem Haus angestellt ist, sondern auch evidenzbasierte Ergotherapie vor Ort anbieten und sich somit das Angebot von den Standartleistungen der Sozialen Betreuung (wie es der MDK fordert + überprüft) abhebt.
Der "Kampf" geht weiter:
Mit den klaren Empfehlungen könnten die Verbände ebenfalls für ergotherapeutische Projekte in Alten- und Pflegeheimen und somit für die Verankerung der Leistung in dem MDK-Prüfrichtlinen kämpfen. So lange sich die zuständigen Behörden, jedoch nicht davon überzeugen lassen das sie über diesen Weg Geld sparen bleibt es ein ziemlich Mühsamer Weg für jeden einzelnen Ergotherapeuten. Somit müssen wir uns gemeinsam bei den Verbänden Gehör verschaffen, das diese entsprechende Verbadlungen mit den Kostenträgern und Prüfstellen für uns aufnehmen.
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