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Unterschied zwischen Therapie und Beschäftigung
- Johanna Radenbach
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mich interessiert eure Meinung zu einem schwierigen und allzeit präsenten Thema, was neulich im Fachkreis für Ergotherapie und Demenz - ich bin dort Mitglied - besprochen wurde.
Um die Indikation für Ergotherapie bei Demenzkranken zu begründen, muss der Unterschied zwischen Therapie und Beschäftigung deutlich gemacht werden. Beschäftigen können auch Pflegekräfte, Ehrenamtliche, Angehörige oder Erzieher. Aber therapieren können nur Therapeuten. Ich erlebe immer öfter, dass in Seniorenheimen Pflegekräfte mit gerontopsychiatrischer Zusatzqualifikation arbeiten und in der Abteilung "Therapie" tätig sind. Also therapieren ohne therapeutische Qualifikation? Naja...
Es ist schwierig Außenstehenden kenntlich zu machen, ob man beschäftigt oder therapiert. Woran sieht man das eurer Meinung?
Zwei Ideen zum Unterschied zwischen Beschäftigung und Therapie bei Menschen mit Demenz:
1. Beschäftigung hat ausschließlich das Ziel, dem Klienten Freude zu bereiten, langer Weile und Passivität auszuweichen. Therapie hat mehr Ziele, z. B. zusätzlich das Fördern der Kommunikation, Sturzprophylaxe etc.
2. Bei der Beschäftigung zählt besonders die Freude während der Aktivierung. Therapie soll nachhaltiger sein: Ziel ist bspw., dass die Klienten durch die Aktivierung im Nachhinein ruhiger werden und anschließend in ein Gespräch kommen.
Der Begriff "Therapie" im Zusammenhang mit dementiell Erkrankten ist nicht unproblematisch. Laut Definition ist Ziel von Therapie die Heilung, Beseitigung oder Linderung der Symptome und die Wiederherstellung der körperlichen oder psychischen Funktion. Beim Demenzkranken ist eine Heilung nicht möglich. Wenn schon etwas verändert werden kann, dann evtl. eine Linderung der akuten Symptome (bspw. Angstzustände). Eine Wiederherstellung der körperlichen und psychischen Symptome ist nicht umzusetzen, da die Erkrankung unaufhaltsam fortschreitet. Die Definition trifft also nur teilweise zu. Kann man da von Therapie ausgehen?
An die Ergotherapeuten: Trennt ihr eure Angebote nach Beschäftigung und Therapie? Macht ihr euch bewusst, wann ihr beschäftigt und wann ihr therapiert? Ist eine Mischung möglich?
Ich möchte mit diesem Thema keine Mitarbeiter im Beschäftigungsbereich angreifen. Die Beschäftigung von Demenzkranken ist essenziell.
Bin gespannt auf die Meinungen.
Johanna
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- kiwigelb
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finde das auch ein sehr schweres Thema, da das Wort "beschäftigen" oft ein sehr negatives Image hat. Ich habe es aus meinem Arbeitsalltag weitestgehend gestrichen, da ich das Wort "aktivieren" in dem was ich tue treffender finde. Aktivierung beinhaltet ja schon quasi ein Ziel, nämlich aktiv werden/aktiv bleiben, ich finde das läßt sich besser in den Zusammenhang mit Therapie bringen als beschäftigen. Therapie ist für mich, wenn ich meine Aktivierung gezielt und individuell aussuche ung ggf. anpasse, Beschäftigung ist für mich eher eine allgemeine Anregung.
Bin auch auf andere Meinungen gespannt.
Gruß kiwi
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- ronja
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Also genau diese Frage habe ich mir auch schon sehr oft gestellt.
Die zwei Punkte die du beschrieben hast empfinde ich genauso.
Ein weiterer Gedanke den ich dazu hatte ist, dass das Ziel, vor allem in der Arbeit mit Dementen, von Therapie der größtmögliche Erhalt der Selbstständigkeit ist.
Ein Beispiel:
Führe ich das Mensch ärger dich nicht spielen als Beschäftigung durch,ist es mir wichtig,dass das Spiel läuft, möglichst reibungslos.
Wenn ich das Spiel therapeutisch einsetze, geht es mir darum, dass jeder Mitspieler möglichst viel selbst tut (z.b. Setzen).
Ich finde es sehr schwierig dies zu trennen. Deshalb trenne ich es für mich gedanklich (versuche es zumindest). Außerdem stelle ich es mir sehr verwirrend für die Bewohner vor, wenn ich ihnen dauernd erklären müsste, in welchem Bereich wir uns gerade befinden.
Gruß Ronja
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- E.P.
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Neben der Widerherstellung von Funktionen beinhaltet die Therapie in der Geriatrie für mich auch das Erhalten von Funktionen und das verlangsamen degenerativer Prozesse insbesondere bei Demenzerkrankungen.
Unter diesen Aspekten sehe ich auch eine adäquate Beschäftigung, was hierwiederum auch den Unterschied zur allgemeinen Beschäftigung duch nichttherapeutisches Personal ausmacht. Wie auch in den anderen Beiträgen erwähnt, würde ich mich vom Sprachgebrauch von der Beschäftigung lösen und von Aktivierung sprechen. Denn selbst mit ergotherapeutischen Beschäftigungsangeboten gehst du gezielt auf die Ressourcen der Bewohner ein (Stichwort Biographie, Validation etc.). Denn dies kennzeichntet in meinen Augen auch den Unterschied zwischen einer zielgerichteten Aktivierung (Therapie) und einem Zeitvertreib (Beschäftigung).
Um in der Therapie mit Dementen konkreter zu werden fehlen mir jedoch stichhaltige Assesmentverfahren die einen Erfolg nach o.g. Schlagworten auch für Dritte nachvollziehbar machen. Sollte mir jemand in dieser Hinsicht vorraus sein, würde ich mich über einen Austausch freuen
Lieben Gruss
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- Johanna Radenbach
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Ich ergänze jetzt einfach mal meine begonnene Liste über den Unterschied zwischen Beschäftigung und Therapie mit den von euch angemerkten Punkten.
3. Therapie bedeutet, die Aktivität auf den Klienten abzustimmen und sie evtl während der Therapie an ihn anzupassen. Beschäftigung muss nicht direkt auf den Klienten abgestimmt sein.Johanna schrieb: 1. Beschäftigung hat ausschließlich das Ziel, dem Klienten Freude zu bereiten, langer Weile und Passivität auszuweichen. Therapie hat mehr Ziele, z. B. zusätzlich das Fördern der Kommunikation, Sturzprophylaxe etc.
2. Bei der Beschäftigung zählt besonders die Freude während der Aktivierung. Therapie soll nachhaltiger sein: Ziel ist bspw., dass die Klienten durch die Aktivierung im Nachhinein ruhiger werden und anschließend in ein Gespräch kommen.
4. Während der Therapie soll der Demenzkranke so viel wie möglich selbst tun, damit er in seiner Selbständigkeit gefördert wird. Bei der Beschäftigung kommt es darauf an, dass die Beschäftigung zur Zufriedenheit des Klienten verläuft und der Klient muss nicht möglichst viel selbst tun.
Sind damit alle soweit zufrieden?
E.P. schrieb: Neben der Widerherstellung von Funktionen beinhaltet die Therapie in der Geriatrie für mich auch das Erhalten von Funktionen und das verlangsamen degenerativer Prozesse insbesondere bei Demenzerkrankungen.
Mal eine plumpe Frage: Meinst du wirklich, man kann bei Demenzkranken Funktionen erhalten und wiederherstellen? Ich denke nicht! Man kann, wie du als drittes Ziel schriebst, den degenerativen Prozess durch Therapie verlangsamen, aber die ersten beiden Ziele sind nicht möglich.
Wie ich aus allen Beiträgen heraushöre, ist bei euch der Begriff "Beschäftigung" negativ geprägt. Ich empfinde das auch so und werde mir noch mal intensiver Gedanken machen, warum das so ist.
Viele Grüße, Johanna
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- E.P.
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Mal eine plumpe Frage: Meinst du wirklich, man kann bei Demenzkranken Funktionen erhalten und wiederherstellen? Ich denke nicht! Man kann, wie du als drittes Ziel schriebst, den degenerativen Prozess durch Therapie verlangsamen, aber die ersten beiden Ziele sind nicht möglich.
Hallo
Funtionen erhalten oder wiederherstellen bezog sich nicht auf Demenz sondern auf die Arbeitsbereiche in der Geriatrie im allgemeinen, bin etwas von deiner Fragestellung abgewichen, sorry
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- Johanna Radenbach
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- robins
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- Johanna Radenbach
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robins schrieb: Was denkst du denn welche Ziele Altenpflegerinnen in der Beschäftigung haben?
Wie in meinem ersten und zweiten Posting geschrieben:
Johanna schrieb: 1. Beschäftigung hat ausschließlich das Ziel, dem Klienten Freude zu bereiten, langer Weile und Passivität auszuweichen. Therapie hat mehr Ziele, z. B. zusätzlich das Fördern der Kommunikation, Sturzprophylaxe etc.
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- robins
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