Mottobild_Umfrage_5In der letzten EbeDe.net-Umfrage wollten wir wissen, ob die Beschäftigung von Alltagsbegleitern nach § 87b SGB IX die Ergotherapie aus den Altenheimen verdrängt. Über die Hälfte der Teilnehmer befürchten diesen Effekt oder spüren bereits, wie er die "friedliche" Zusammenarbeit erschwert. Drei Köpfe aus Leserschaft und Redaktion kommentieren das Umfrageergebnis - mit Vergleichen, Prognosen und einem gewagten Rezept.

Umfrage-Ergebnis: Verdrängt die Beschäftigung von Alltagsbegleitern nach § 87b SGB XI die Ergotherapie im Altenheim?

Der kleine Unterschied

von Dana König

Die Aufgaben der Ergotherapeuten ähneln denen der Alltagsbetreuer tatsächlich sehr, haben jedoch unterschiedliche Qualitäten. Beobachten Außenstehende, dass sowohl die Ergotherapeuten als auch die Alltagsbetreuer Spiele einsetzen, so folgt häufig die Schlussfolgerung, dass sich das eine nicht vom anderen unterscheidet. So wird Ergotherapie auf reine Beschäftigung reduziert und die therapeutische Fachkompetenz angezweifelt. Doch wo liegt der Unterschied zwischen den beiden Berufsgruppen?

Während die Ausbildung zum Ergotherapeuten 2.700 Theoriestunden und 1.700 Stunden praktischer Ausbildung umfasst, schlägt die Ausbildung zum Alltagsbetreuer lediglich mit 160 Theoriestunden und einem zweiwöchigen Praktikum zu Buche. Der Mangel an Praxis macht die Auswahl geeigneter Personen für den Beruf des Alltagsbetreuers schwer. Lediglich zwei Wochen Praktikum sollen hier ausreichen, um einen unfassenden Eindruck des Berufsbildes zu erlangen.

Dana König
Dana König

Trotzdem sehen die Betreuungskräfte-Richtlinien keinen therapeutischen oder pflegerischen Berufsabschluss als Voraussetzung vor. Ergotherapeuten erfüllen hier andere Anforderungen: Im einjährigen Praktikum durchlaufen die angehenden Therapeuten alle drei Fachbereiche und können so ihre Eignung angemessen überprüfen.

Doch wie können Ergotherapeuten ihre Arbeit der Öffentlichkeit gegenüber besser verdeutlichen? Eine Abgrenzung gegenüber anderen Berufsgruppen ist sicher wichtig. Ergotherapeuten sollten Aufklärungsarbeit leisten und ihr Tun und Handeln gegenüber anderen Berufsgruppen transparent machen. So kann im besten Falle eine interdisziplinäre Zusammenarbeit entstehen, die den Bewohnern in Alten- und Pflegeheimen zugute kommt.

Nicht wegsparen lassen

von Anja Rehberg

Anja Rehberg
Anja Rehberg

Gut 27 Prozent der Umfrageteilnehmer befürchten, dass Alltagsbegleiter die Tätigkeiten der ergotherapeutischen Arbeit verdrängen. Wie kommt es zu dieser Ansicht? Liegt es daran, dass einige Einrichtungen Kosten sparen wollen über die Alltagskräfte? Die werden nämlich durch die Krankenkassen finanziert, viele Einrichtungen verschaffen sich durch dieses soziale Angebot einen Heimvorteil und verzichten auf therapeutisch ausgebildetes Personal. Bevor es dazu kommt, sollten sich Ergotherapeuten auf ihre besonderen Kompetenzen besinnen. Ergotherapie in der Geriatrie wird bestimmt durch Erkrankungen, die durch den Alterungsprozess bedingt und einer ständigen Veränderung unterworfen sind. Dieses Klientel besitzt meist eine Grunderkrankung mit neurologischer Ursache wie Demenz, Schlaganfall, Morbus Parkinson - degenerative oder rheumatische Erkrankungen aber auch psychische Leiden wie Depression oder Neurosen. Dies erfordert vom Therapeuten ein umfangreiches medizinisches Wissen, Einfühlungsvermögen und hohe Flexibilität in der Anwendung der Therapiekonzepte. Im Gegensatz zu bloß betreuenden und begleitenden Maßnahmen zielt ergotherapeutische Intervention auf die Aktivierung körperlicher, neuropsychologischer und kognitiver Fähigkeiten. Dabei helfen Konzepte wie Bobath, Affolter oder die kognitiv-therapeutischen Übungen nach Perfetti. Die Ergotherapie ist aufgefordert, über ihre Potenziale besser aufzuklären.

Ist zwischen beiden Berufsgruppen eine Zusammenarbeit möglich? Immerhin meinen knapp 37 Prozent der Befragten, dass beide Maßnahmen freundlich miteinander koexsistieren. Demnach hat sich die Kooperation in der Praxis vielerorts bewährt. Ich sehe die Ergotherapie in der Pflicht, das Betreuungspersonal einzuarbeiten, und in der Verantwortung, individualisierte Aktivierungsprogramme unterstützend zu entwickeln und zu begleiten.

Warum schmeckt uns die Paragraf-87b-Suppe nicht?

von Heike Studenik

Die Frage bleibt offen und wirft so viele andere auf. Zumindest, wenn es nach dieser Umfrage geht. Der kleine, fast unsichtbare und dennoch erfreuliche Vorsprung der klaren Nein-Sager, der Positiv-Denker, der Problem-als-Chance-Seher lässt hoffen, dass Gesetze im Sinne des Erfinders umgesetzt, überprüft und durchgeführt werden. Dass die Praxis so nicht funktioniert, beweisen die viel zu vielen Ja-Sager, die Negativ-Denker, die Enttäuschten. Und: ohne Täuschung keine Enttäuschung. Doch wer täuscht wen und warum? Wo ist die Wurzel des Problems und an wen müssen wir all diese Fragen richten?

Und wo ist unser Part als Ergotherapeuten dabei? Sehen wir uns wirklich als Begleiter und lassen wir die Begleiter wirklich therapieren? Haben wir Angst um unsere Anstellung oder Angst um unser Berufsfeld? Können wir uns immer noch nicht durchsetzen und müssen wir uns immer noch erklären? Müssen wir uns mit einem Staatsexamen und oftmals viel Berufserfahrung in der Tasche fürchten vor Arbeitskräften, die erst noch beweisen müssen, dass sie diese Arbeit durchstehen, ihren Auftrag verstanden haben und sich entsprechend abgrenzen können? Und haben wir das verstanden? Ich hoffe es doch.

Rezeptvorschlag: Konzeption, Leitbild seiner Einrichtung, QM-Richtlinien, Stellenbeschreibung, Berufsfelder, Gesetze etc. gründlich studieren. Erstklassiges Fachwissen zugeben. Selbstbewusst, aber nicht eingebildet(!) die Aufgaben klar benennen und zuteilen. Intelligent dokumentieren! Auch diese Suppe wird nicht jedem schmecken. Soll sie auch gar nicht.